Lebenslauf
-
1941 Hanne Darboven wird am 29. April 1941 als Tochter der Dänin Kirsten Darboven, geborene Vestergaard, und Cäsar Darbovens während eines kurzen Aufenthaltes in München geboren. Sie wuchs als mittlere von drei Schwestern in Rönneburg auf, einem ländlichen Stadtteil in Hamburg-Harburg, wo sich das elterliche Anwesen bis heute befindet. Nachdem Johann Joachim Darboven 1866 die bis heute bestehende Firma "J.J.Darboven" gegründet hatte, entschloss sich auch Johann Wilhelm Darboven, 1895 mit der Firma "J.W. Darboven" eine Kaffeerösterei und ein Kolonialwarengeschäft, "Colonialwaren- und Conserven-Geschäft mit Dampf-Kaffeerösterei", in Hamburg-Harburg zu eröffnen. Hanne Darbovens Familie väterlicherseits führte das Harburger Unternehmen von 1895 bis 1968.
-
1962 Sie beginnt ihr Studium an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg bei Willem Grimm und Almir Mavignier. Frühe Materialbilder und Perforationen, sogenannte "Permutationen" entstehen.
-
1966-1968 Die junge Künstlerin lebt in New York, wo sie Sol LeWitt, Carl Andre, Joseph Kosuth und andere Künstler der Minimal und Concept Art sowie bekannte Galeristen wie Leo Castelli kennenlernt. In dieser Zeit entstehen erste Konstruktionszeichnungen auf Millimeterpapier, tagebuchähnliche Kalendereinträge und erste Arbeiten, die auf Berechnungen basieren. "Meine Arbeit ist ein Aufzeichnen im Sinne von Dasein, es ist Durcharbeitung." [Hanne Darboven, 1966] Zurück in Hamburg arbeitet Darboven an ersten Werken, die das Tagesdatum zum Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Strategie machten. Einzelne Zahlen des Tagesdatums wurden von ihr zu Quersummen verrechnet und mit den sogenannten Konstruktions- oder "K-Werten" versehen. "Und schließlich bin ich auf die Tagesdaten gekommen, da man sich ja doch täglich mit dem Sinn oder Unsinn der Dinge beschäftigt." [Hanne Darboven, 1989]
-
1967 Erste Einzelausstellung in der Konrad Fischer Galerie, Düsseldorf, der sie über die Jahre konstant präsentiert. Es folgten ab jetzt konstant und regelmäßig zahlreiche Ausstellungen in renommierten Museen und Galerien in Europa und den USA.
-
1969 Abstrakte, systematische Schreibarbeiten - Wellenlinien oder U-Bögen - entstehen, die Darbovens Umgang mit dem Schreiben als konzeptuellen Akt markieren. Die Künstlerin selbst spricht von einem "Schreiben ohne zu beschreiben" oder von einem "konkreten Schreiben". Teilnahme an der Ausstellung WHEN ATTITUDES BECOME FORM, Kunsthalle Bern, Bern, Museen Haus Lange / Haus Esters, Krefeld, Institute of Contemporary Arts, London.
-
1971 Ausstellung HANNE DARBOVEN, Westfälischer Kunstverein, Münster. Ab 1971 integrierte sie durch ihr Schreiben als künstlerische Ausdrucksform historische Texte, tagespolitische Ereignisse, handschriftlich übertragene Aufsätze, Zeitungsartikel und Fotografien oder Drucke in ihre Arbeiten. Die Abschrift der ODYSSEE von Homer (1.–5. Gesang) ist eine der ersten handschriftlichen Werke. "Ich habe Sachen noch einmal von Hand geschrieben, um durch die ermittelte Erfahrung mich selbst zu vermitteln." [Hanne Darboven, 1991]
-
1972 Teilnahme an der DOCUMENTA 5, Kassel.
-
1973 Erste Ausstellung bei Leo Castelli, New York, der sie über die kommenden Jahre konstant präsentiert.
-
1975 Beginn der Arbeit an ihrem Hauptwerk SCHREIBZEIT, in der sie Geschichte durch Zahlencodierungen, Worttexte, Diagramme und Fotografien festhält, und an WELTANSICHTEN 00 - 99, 1975 - 1980, in der sie vor allem Sammelbilder und Drucke von Werbefigurinen der familieneigenen Marke "JWE Darboven" verarbeitete. Beide Arbeiten werden visuell stark geprägt durch das von ihr nun eingeführte, rot umrandete "Schreibzeit"-Papier, das eine grafische >Entleihe< beim Magazin Der Spiegel nahelegt. Beginn ihrer umfangreichen Materialsammlung (alltägliche Gebrauchsgegenstände, Antiquitäten, Musikinstrumente, Bücher, Plakate, Spielzeug, Kuriositäten, Souvenirs), die neben der Verwendung von Texten als Speicher von Erinnerungen steht. Und sie lässt Objekte bauen, die sie für ihre Sammlung benötigt. "Ich mache weder eine Plastik – doch ich lasse ein Pferd bauen. Ich mache weder Malerei – doch ich schreibe Räume voll." [Hanne Darboven, 1991]
-
1977 Teilnahme an der DOCUMENTA 6, Kassel.
-
1979 Die Arbeit BISMARCKZEIT entsteht, bei der Darboven erstmals eine Skulptur integriert; sie wird im Rheinischen Landesmuseum Bonn ausgestellt. "In der Arbeit über die Bismarckzeit nehme ich
auch Bilder auf. Weil ich das, was ich mit Zahlen nicht mehr schreibe, abbilde." [Hanne Darboven, 1981]
Ab 1979 entstehen verschiedene Musikpartituren. Hanne Darboven setzt dabei ihre komplexen Zahlenaufzeichnungen in vertonbare Notationen um. Einige ihrer Kompositionen werden aufgenommen und bei Ausstellungen vorgeführt. -
1980 Sie entwirft ihre grünen, sogenannten UBIQUIST-Postkarten, die sie nun häufig - auch als Referenz an ihre Heimat - verwendet. Das umfangreiche Werk KULTURGESCHICHTE 1880 - 1983, 1980 - 1983 entsteht. "Was ich in der Schreibzeit geschrieben habe, das belege ich Euch alles im Bild. Zu Tausenden." [Hanne Darboven, 1982]
Auch die Arbeiten MILIEU 80 und WENDE 80, die erstmalig Musik enthält, entstehen. "Eins + Eins ist eins zwei. Zwei ist eins zwei. Das ist meine Urthese für alle Gesetze, die bei mir mathematisch durchlaufen. Ich schreibe mathematische Literatur und mathematische Musik." [Hanne Darboven, 2004] -
1982 Teilnahme an der DOCUMENTA 7, Kassel. Repräsentantin der Bundesrepublik Deutschland auf der BIENNALE DI VENEZIA, Venedig, mit der Arbeit WELTANSICHTEN 00 - 99 von 1975 - 1980.
-
1982-1983 In Darbovens in eigener Regie gedrehtem Film VIERJAHRESZEITEN. DER MOND IST AUFGEGANGEN bildet die Künstlerin ihr persönliches Umfeld (Atelier- und Wohnhaus sowie Wohnort) ab.
-
1984–1985 Die Arbeiten Menschen und Landschaften und Ansichten >85<, Harburg I New York entstehen, in der sie viele historische Gruß- und Ansichtskarten verwendet und ihre beiden essenziellen Bezugsorte Hamburg und New York visualisiert.
Teilnahme an der Ausstellung 1954–1985 – Kunst in der Bundesrepublik Deutschland, Neue Nationalgalerie, Berlin.
-
1986 Sie erhält die Auszeichnung Edwin-Scharff-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg für das Jahr 1985.
-
1988 Das Werk Quartett >88< entsteht.
-
1990–1996 In der komplexen Werkinstallation Kinder dieser Welt visualisiert und schreibt Hanne Darboven das Jahrhundert 1900 bis 1999 durch Berechnungen, setzt es in das musikalische Werk Blechbläsertrio Opus 43 A um und integriert Spielzeug aus aller Welt.
-
1992–1993 Die Arbeit Fin de Siècle – Buch der Bilder entsteht.
-
1994 Auszeichnung mit dem Lichtwark-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg. Teilnahme an den Ausstellungen After and Before, The Renaissance Society at The University of Chicago, Chicago, und From Minimal to Conceptual Art, The National Gallery of Art, Washington, D.C.
-
1995 Sie erhält die Auszeichnung Internationaler Preis des Landes Baden-Württemberg für Bildende Kunst für das Jahr 1994.
-
1996 Die Arbeit Erfindungen, die unsere Welt verändert haben entsteht. Ausstellung Hanne Darboven: Kulturgeschichte 1880–1983, Dia Art Foundation, New York.
-
1997 Hanne Darboven wird Mitglied der Akademie der Kunste in Berlin. Ausstellung Kinder dieser Welt, Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart.
-
1997–1998 Teilnahme an der Ausstellung Deutschlandbilder, Martin-GropiusBau, Berlin.
-
1998 Die Arbeiten Europa 97 und Gustav Stresemann postum entstehen.
-
1998–2000 Die Arbeit Kontrabasssolo, Opus 45 entsteht.
-
1999/2000 Ausstellung Hanne Darboven. Das Frühwerk, Hamburger Kunsthalle. Ausstellung Hommage à Picasso, Deichtorhallen Hamburg, Hamburg.
-
2000 Ausstellung Menschen und Landschaften, Hallen für neue Kunst, Schaffhausen.
Gründung der Hanne Darboven Stiftung, Hamburg im Atelierhaus Am Burgberg in Hamburg-Rönneburg mit dem Ziel „das umfangreiche Schaffen ihrer Stifterin als international anerkannter Künstlerin zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
-
2002 Teilnahme an der Documenta11, Kassel.
-
2004 Teilnahme an der Ausstellung Beyond Geometry – Experiments in Form 1940s–70s, Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles.
-
2007 Ihre Holzmodelle aus Sperrholz entstehen, die sowohl frühere Zeichnungen aus New York als auch spätere Entwurfe als Objekte umsetzen.
-
2008 Ausstellung Hanne Darboven: Fin de Siècle – Buch der Bilder, Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin.
-
2009 Am 9. März erliegt Hanne Darboven einem Krebsleiden.